Der Einsteinturm ist eine Ikone der Moderne. Er wurde 1920–22 von Erich Mendelsohn in einer Weise erbaut, die mit allen Traditionen brach. Die Wüstenrot Stiftung hat die letzten beiden Instandsetzungen dieses bedeutenden Denkmals durchgeführt. Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) betreibt den Einsteinturm immer noch in seiner ursprünglichen Funktion: als Sonnenteleskop.
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Projekt

Der Einsteinturm ist ein Sonnenteleskop, das vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) betrieben wird. Der Architekt Erich Mendelsohn erbaute den Einsteinturm 1920–22. Die Wüstenrot Stiftung hat die letzten beiden großen Instandsetzungen 1997–99 und 2021–23 durchgeführt und dabei alle historischen Schichten behutsam konserviert. Die digitale Ausstellung »Einsteinturm revisited« lädt dazu ein, in die Entstehungsgeschichte des Turms einzutauchen, seine wissenschaftlichen Voraussetzungen nachzuvollziehen und die Besonderheiten zu begreifen, ihn als Denkmal zu bewahren.

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Erste Reparatur

(1927)

Früher als selbst vom Hochbauamt angenommen entwickelte der erst 1922 fertiggestellte Einsteinturm ein Schadensbild, das im Herbst 1926 die Sicherheit des Turms gefährdete. Baubesichtigungen im November 1926 führten zu einem Protokoll des Hochbauamts: „An dem Gebäude ist seit seiner Errichtung vor fünf Jahren keinerlei Instandsetzung vorgenommen worden. Das Gebäude hat, da sich die Verbindung von Eisenbeton mit Ziegelmauerwerk und Spritzputz ohne genügende Sicherheit gegen Niederschlagwasser und aufsteigende Feuchtigkeit nicht bewährt hat, allgemein sehr gelitten.“ Es folgt eine Auflistung der Mängel im Einzelnen und Anweisungen, wie diese zu beheben sind.

Verschlimmbesserungen

Verblechungen der Fensterbänke, Terrassenbrüstung und senkrechte Flächen am Kuppelkranz sollten der Abdichtung des Turms helfen, der immer wieder mit in das Mauerwerk und in das Innere eindringendem Wasser zu kämpfen hatte. Durch die Verblechung entstand allerdings sog. Schwitzwasser, das nicht trocknete, sondern stattdessen in den Beton eindrang und die Eisenbewehrung des Betons rosten ließ. Die Blechabdeckungen wurden mit Bleipfropfen direkt im Beton befestigt. Da sich das Blei ausdehnt, sprengte es wieder kleine Risse in den Beton, durch die noch einfacher Wasser eindringen konnte. Aus heutiger Sicht hätte der Beton ohne die aufgesetzten Bleche über die Jahrzehnte wahrscheinlich weniger Schaden genommen als mit dieser als Verbesserung gedachten Maßnahme.

Einsteinturm während der ersten Instandsetzung 1927
Der Einsteinturm während der ersten Reparatur 1927, nur fünf Jahre nach Fertigstellung. Die dabei eingefügten Verblechung der Brüstungen und die Erweiterung der Wasserspeier veränderten nicht nur das Erscheinungsbild des Einsteinturms, sondern fügten den konstruktiv und planerisch bedingten Bauschäden neue Schadensursachen hinzu.

Die Ausbesserungen machten auch einen neuen Anstrich nötig, da ein Ausbessern des Spritzputzes nicht möglich war. Die Bauforschung vor und während der Instandsetzung 1997–99 hat ergeben, dass dieser Anstrich im selben Farbton wie der Spritzputz erfolgte und bis Anfang der 1940er-Jahre Bestand hatte. Allerdings ging durch den Anstrich und die Ausbesserungen im Putz die körnige Textur des ursprünglichen Spritzputzes verloren. Während der Reparatur bekamen die Kellerfenster ca. 11 cm hohe, bis heute deutlich sichtbare Balken aufgesetzt, was die Rasenpodeste erhöhte und die Bewässerung des Rasens verbesserte. All diese Reparaturen veränderten das ursprüngliche Erscheinungsbild des Einsteinturms unwiderruflich.

Erweiterungsbau

Zur gleichen Zeit wurde Erich MendelsohnErich Mendelsohn (1887–1953), Architekturstudium an der TH (Berlin-)Charlottenburg und TH München. Hochzeit mit Luise Maas 1915. Nach Rückkehr aus dem 1. Weltkrieg Gründung des eigenen Büros in Berlin, das zu einem der erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Architekturbüros wird. 1933 Emigration nach England, 1939 Umzug nach Jerusalem, 1941 in die USA. Bedeutende Bauten in all diesen Ländern. mit dem Entwurf eines Erweiterungsbaus beauftragt. Erwin Finlay FreundlichErwin Finlay Freundlich (1885–1964), Astrophysiker. Assistent an der Berliner Sternwarte ab 1910. Ab 1918 erster Mitarbeiter an Einsteins Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik. Planung des Einsteinturms als leistungsstärkstes Sonnenobservatorium Europas. Direktor des Einsteinturms ab 1920. Vertreibung durch die Nazis, ab 1933 Professor für Astronomie in Istanbul. Ruf an die Deutsche Uni in Prag 1936. Flucht nach Holland 1939. Dann an der schottischen St.-Andrews-University, Aufbau einer Astronomischen Abteilung mitsamt Sternwarte, ab 1951 Napier-Professur für Astronomie. rechtfertigte die nötige Erweiterung mit Platzbedarf insbesondere für ausländische Wissenschaftler. Die Architektenwahl begründete er mit der damals schon unbestreitbaren Bedeutung sowohl des Ursprungsbaus als auch seines Verfassers: „Den Entwurf des neuen Gebäudes hat der Erbauer des Einsteinturms, Dipl. Ing. Erich Mendelsohn, ausgeführt, da neben den architektonisch besonders eigenartig und individuell gestalteten Einsteinturm kaum eine andere Architektur als die desselben Baumeisters gesetzt werden dürfte. Überdies hat der Einsteinturm als modernes Kunstwerk einen solchen Ruf erlangt, daß es schon aus künstlerischen Gründen geboten erscheint, dem Erbauer das Recht einzuräumen, die weitere Gestaltung der ihn umgebenden Anlage zu überlassen.“ (Freundlich in einem Brief an das Kultusministerium vom 29. März 1928) Es folgt die Bitte der Kostenübernahme. Bemerkenswert ist, dass Freundlich diese Bitte nicht mit dem wissenschaftlichen, sondern dem künstlerischen Wert des Einsteinturms begründet.

Der Erweiterungsbau war auf der westlichen Seite des Einsteinturms geplant und sollte über einen Tunnel mit diesem verbunden werden. Er sollte ein weiteres Labor, einen Hörsaal, eine Wohnung für Gastwissenschaftler und eine Wohnung für den Mechaniker umfassen. Das Ministerium bewilligte die Gelder dafür nicht. Dennoch veröffentlichte der Potsdamer Stadtanzeiger am 3. Januar 1931, nachdem das Erweiterungsprojekt erneut vom Ministerium abgelehnt wurde, einen Artikel unter dem Titel „Einstein-Turm wird erweitert“. Im Artikel wird im Gegensatz zu Freundlichs Brief insbesondere auf die wissenschaftliche Bedeutung der Anlage hingewiesen, die internationale Wissenschaftler anzieht, die momentan dort zwar „in der Stille und Abgeschlossenheit ihre Studien treiben“, aber keinen Raum zum Wohnen hätten.

Pilzbefall und weitere Änderungen

Die Reparatur von 1927 war wenig wirksam, da bereits nach drei Jahren die bekannten Bauschäden wieder bemerkbar waren. Die Reparatur führte darüber hinaus zu neuen Schäden. Feuchtigkeit drang nicht nur in die Mauern ein, sondern auch in den Innenraum. Der Spektrographenraum litt deshalb bald unter Pilzbefall. Die großen Prismen mussten 1937 zur Reinigung nach Jena zur Firma Zeiss geschickt werden und kamen erst nach zweieinhalb Jahren wieder zurück. 1937 wurde ein zusätzlicher Außeneingang in das Kellergeschoss angelegt, ohne viel Rücksicht auf die Fenster- und Landschaftsgestaltung zu nehmen. Die Scharfkantigkeit der Rasenböschungen hatte sich damals schon abgeschliffen. Die Mauerwerksisolierung wurde 1940/41 erneuert und die Laborräume trockengelegt. Das geschah während des Zweiten Weltkriegs, in dem zivile Bauarbeiten nur noch mit Sondergenehmigung möglich waren, welche wohl wegen der mittlerweile militärischen Nutzung der Sonnenforschung erteilt wurde. Um die Kellerräume zu isolieren, wurden die Böschungen abgetragen und mit runderen Kanten wieder hergestellt. Der umlaufende Weg wurde mit Betonplatten ersetzt. All dies veränderte erneut das ursprüngliche Erscheinungsbild des Einsteinturms.