Im September 1920 war Baubeginn. Aufgrund fehlender Genehmigung wurde die Baustelle allerdings gleich wieder stillgelegt. Erich MendelsohnErich Mendelsohn (1887–1953), Architekturstudium an der TH (Berlin-)Charlottenburg und TH München. Hochzeit mit Luise Maas 1915. Nach Rückkehr aus dem 1. Weltkrieg Gründung des eigenen Büros in Berlin, das zu einem der erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Architekturbüros wird. 1933 Emigration nach England, 1939 Umzug nach Jerusalem, 1941 in die USA. Bedeutende Bauten in all diesen Ländern. reichte die Baugenehmigungspläne am 30. September 1920 nach. Die Errichtung des Einsteinturms konnte damit weitergehen. Die Kritik des Hochbauamts riss damit aber nicht ab. Aus amtlicher Sicht war nicht genug gegen das Eindringen von Feuchtigkeit vorgesorgt. Mendelsohn passte seine Planung zwar an einigen Stellen noch an. Doch am 23. November 1920 stellte das Hochbauamt fest, dass künftige Schadensursachen nicht an der Ausführung des Baus, sondern an der architektonischen Planung liegen werden.
Mischbauweise
Mit seiner Kritik richtete sich das Hochbauamt vor allem auf die Belüftung der Laborräume und auf die Entwässerung im Bereich der Kuppel. Dass die Mischbauweise zur größten Schadensursache werden sollte, sah aber auch das Hochbauamt nicht voraus. Der Einsteinturm ist nicht komplett aus Stahlbeton, der damals Eisenbeton hieß, sondern zum größten Teil aus Ziegeln errichtet. Das kam wahrscheinlich durch den damals extrem hohen Schalungsaufwand zustande. Nicht die Rohstoffknappheit, sondern die Schalung, die durch Schiffsbauer ausgeführt werden musste, machte Mendelsohn sparsam im Umgang mit dem neuen Material. Er setzte es nur für die Bereiche ein, deren Gestaltung es unbedingt nötig machte. Aus heutiger Sicht kann man den Einsteinturm als Ziegelbau (Vollziegel für Wände, Lochziegel für Dächer) mit Stahlbeton-Elementen (Eingangsbereich, Arbeits- und Übernachtungsraums sowie Kuppel) bezeichnen. Der obere Turmring wurde aus Beton gegossen, um die Holzkuppel, die starken Windkräften ausgesetzt ist, besser mit dem Turm zu verbinden.
Bauen ist Experimentieren
Die besondere Formgebung und die Mischung von Stahlbeton und Ziegeln ließen die Wände zwischen 30 und 180 cm dick werden. Auch die Putzstärken sind sehr unterschiedlich. Sie gleichen die Verbindung der unterschiedlichen Baustoffe aus und gewährleisten die von Mendelsohn gewünschte Formgebung, die wie aus einem Guss wirkt. Zwar sollte das Hochbauamt mit seiner Warnung vor Feuchtigkeitsschäden recht behalten, doch übersah es das eigentliche Problem. Die unterschiedlichen Massen der Wandstärken und die unterschiedlichen Materialien dehnen sich bei Temperaturschwankungen unterschiedlich stark aus. Das führt insbesondere durch die funktional bedingte Nord-Süd-Ausrichtung des Turms unvermeidlich zu Rissen, die man zwar reparieren, ihr Entstehen aber nicht verhindern kann.
Abgesehen von den Details der Formgebung muss auch die Entscheidung zur Farbgebung des Turms auf der Baustelle gefallen sein. Den ocker eingefärbten Spritzputz fand man bei der Instandsetzung 1997–99. Von Mendelsohn selbst sind mit Ausnahme der Farbstudien seiner Handskizzen keine Dokumente überliefert, in denen er sich über die Farbe des Turms äußert.
Im November 1920 war das Mauerwerk des Kellergeschosses sowie des Turmschafts fertiggestellt. Am 10. August 1921 erfolgte die Rohbauabnahme. Erst dann, als die besondere Charakteristik der Räume erfahrbar war, folgten die Detailpläne für Wand- und Deckengestaltung. Auch die letzte Überarbeitung der Pläne aus dem Büro Mendelsohn spiegeln nicht in allen Details das ausgeführte Gebäude wider. Der Einsteinturm war ein Experiment, das zwischen Mendelsohns visionären Skizzen, den technischen Anforderungen der Astrophysik und der Optik, den Möglichkeiten des noch nahezu unbekannten Baustoffes Stahlbeton und den Fähigkeiten der Handwerker auf der Baustelle entstand.
Zeit, Kosten, Inflation
Die Kosten der Errichtung des Gebäudes betrugen 850.000 Reichsmark, wovon 65.000 Reichsmark als Honorar an Mendelsohn flossen. Zusätzliche 220.000 Reichsmark kosteten die Apparate und Optik des Turms, mit weiteren 260.000 Reichsmark wurden die elektrischen Experimentieranlagen finanziert. Seit 1920 stieg die Inflation rasant an, weshalb die vorhandenen Gelder der Einstein-Spende und der Preußischen Regierung schnell ausgegeben werden mussten. Die endgültige Finanzierung stand erst im September 1920. Dadurch, dass FreundlichErwin Finlay Freundlich (1885–1964), Astrophysiker. Assistent an der Berliner Sternwarte ab 1910. Ab 1918 erster Mitarbeiter an Einsteins Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik. Planung des Einsteinturms als leistungsstärkstes Sonnenobservatorium Europas. Direktor des Einsteinturms ab 1920. Vertreibung durch die Nazis, ab 1933 Professor für Astronomie in Istanbul. Ruf an die Deutsche Uni in Prag 1936. Flucht nach Holland 1939. Dann an der schottischen St.-Andrews-University, Aufbau einer Astronomischen Abteilung mitsamt Sternwarte, ab 1951 Napier-Professur für Astronomie. und Mendelsohn aber schon zuvor an dem Projekt arbeiteten, konnte umgehend mit dem Bau begonnen werden. Dies und auch das Interesse der preussischen Regierung, auf dem Gebiet der Wissenschaft international zu reüssieren, beschleunigten die Genehmigungsprozesse.
Politik und Antisemitismus
Zur gleichen Zeit begann sowohl in der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit eine antisemitische Kampagne gegen Albert EinsteinAlbert Einstein (1879–1955), einer der bedeutendsten Physiker der Wissenschaftsgeschichte. Entwicklung der Relativitätstheorie ab 1905. Ab 1914 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, ab 1917 Direktor des für ihn gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik. Nobelpreis 1921 (verliehen 1922). Lehr- und Forschungsaufenthalte in den USA. Von seinem Aufenthalt in Princeton 1932/33 kehrte er nicht mehr nach Deutschland zurück. Deutliche Haltung gegenüber Nazi-Deutschland auch nach 1945. Emeritierung 1946, danach weiter am Institute of Advanced Studies in Princeton.. Das sollte paradoxerweise die Entstehung des Einsteinturms beschleunigen, da der preussischen Regierung (noch) daran gelegen war, einen so bedeutenden Wissenschaftler wie Einstein in Deutschland zu halten. Wie sehr man den Namen Einsteins politisch nutzte, wird in einem Brief des damaligen deutschen Botschafters in London an den Kultusminister vom 2. September 1920 deutlich: „Professor Einstein ist gerade im gegenwärtigen Augenblick für Deutschland ein Kulturfaktor ersten Ranges, da Einsteins Name in weitesten Kreisen bekannt ist. Wir sollten einen solchen Mann, mit dem wir wirkliche Kulturpropaganda treiben können, nicht aus Deutschland vertreiben.” Dieses Argument nahm der Kultusminister dann wenig später in einem Brief an den Finanzminister vom 14. September 1920 auf: „Es wäre unerträglich, müßte der weitere Ausbau der von einem deutschen Gelehrten aufgestellten hochbedeutsamen Theorie allein dem Auslande überlassen werden.“
In Neutras Garten
Bereits Anfang 1922, also eineinhalb Jahre nach Baubeginn, fand die Gebrauchsabnahme statt. Im Frühjahr 1922 begannen die ersten Forschungsarbeiten im Laborbereich des Einsteinturms. Allerdings waren die Außenanlagen noch nicht bepflanzt, weshalb Sand und Staub in die Kellerräume eindrang. Im November 1921 hatte der damals noch kaum bekannte Richard NeutraRichard Neutra (1892–1970), Architekt, Studium der Architektur an der TH Wien und an der Bauschule von Adolf Loos. Studium der Gartenarchitektur in Zürich. Ab 1921 Mitarbeiter des Stadtbauamts Luckenwalde, entwarf den dortigen Waldfriedhof. 1921–1923 Mitarbeiter bei Erich Mendelsohn, verantwortlich u.a. für die Landschaftsgestaltung des Einsteinturm. im Büro von Mendelsohn angefangen. Mendelsohn betraute ihn mit der Landschaftsplanung des Einsteinturms. Neutras sog. Gartenplan zeigt, dass die vorderen beiden, steil abfallenden Böschungen neben dem Eingangsbereich und seitlich des Turms eine andere Höhe als die etwas weniger steil abfallende Böschung im hinteren, südlichen Bereich oberhalb des Spektrographenraums haben. Dieser Versprung führt zu einer weiteren Kante auf dem rasenbewachsenen Podest, auf dem der Einsteinturm zu stehen scheint. Auch die seitlichen Wege zwischen Turm und Staudenbeet wurden wie im Gartenplan festgehalten ausgeführt. Um das Staudenbeet sollte in Neutras Planung wiederum eine Hecke führen, die einen rechteckigen Vorplatz vor dem Turm einrahmt. Dies wurde genauso wenig ausgeführt wie die von Neutra gewählte Bepflanzung mit schlanken, hohen Bäumen. Mendelsohn, in dessen Auftrag Neutra arbeitete, versuchte also, den Turm sehr viel stärker in die ihn umgebende Natur einzubetten. Das sollte zwar die Wirkung seiner Architektur unterstreichen. Mendelsohn wollt das Gebäude aber nicht zu einem kontextlosen Solitär machen, zumal die Bäume des umgebenden Walds damals noch nicht so hoch und noch nicht so dicht an den Einsteinturm herangerückt waren, wie heute.
Das Teleskop mit dem CoelostatenEin Coelostat oder Zölostat besteht in der Regel aus zwei Spiegeln, die so angeordnet sind, dass man mit einem feststehenden Teleskop (z.B. einem Turmteleskop) der Bewegung von Himmelskörpern über den ganzen Tages- bzw. Nachtverlauf folgen kann. konnte erst 1924 installiert werden. Am 6. Dezember 1924 fand dann die offizielle Eröffnung des Einsteinturms im Rahmen einer Kuratoriumssitzung der Einstein-StiftungEinstein-Stiftung: Nachfolgerin der Einstein-Spende. Kuratorium der Einstein-Spende: Albert Einstein, Gustav Müller (Direktor des AOP 1917–21), Erwin Finlay Freundlich und Rudolf Schneider (Geschäftsführer des Reichsverbands der deutschen Industrie). 1921 Übergang in die Einstein-Stiftung, Kuratorium nun auch mit Hans Ludendorff, Rechtsanwalt Ludwig Ruge, Carl Bosch (Direktor von BASF) sowie zwei Repräsentanten des Preußischen Kultusministeriums und weiteren Vertretern aus Industrie, Wissenschaft und Politik. statt.