Der Einsteinturm ist eine Ikone der Moderne. Er wurde 1920–22 von Erich Mendelsohn in einer Weise erbaut, die mit allen Traditionen brach. Die Wüstenrot Stiftung hat die letzten beiden Instandsetzungen dieses bedeutenden Denkmals durchgeführt. Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) betreibt den Einsteinturm immer noch in seiner ursprünglichen Funktion: als Sonnenteleskop.
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Projekt

Der Einsteinturm ist ein Sonnenteleskop, das vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) betrieben wird. Der Architekt Erich Mendelsohn erbaute den Einsteinturm 1920–22. Die Wüstenrot Stiftung hat die letzten beiden großen Instandsetzungen 1997–99 und 2021–23 durchgeführt und dabei alle historischen Schichten behutsam konserviert. Die digitale Ausstellung »Einsteinturm revisited« lädt dazu ein, in die Entstehungsgeschichte des Turms einzutauchen, seine wissenschaftlichen Voraussetzungen nachzuvollziehen und die Besonderheiten zu begreifen, ihn als Denkmal zu bewahren.

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Erneute Instandsetzung

(2023)

Die Instandsetzung 1997–99 hatte einen nachhaltigen Effekt auf den Bestand und verdoppelte den üblichen Sanierungsintervall von zehn auf 20 Jahre. Erst Ende der 2010er-Jahre wurden deshalb konkrete Planungen für eine erneute Instandsetzung nötig. Die Beteiligten konnten dabei auf die gründlichen Voruntersuchungen der 90er-Jahre zurückgreifen, zumal auch dieses Mal die Wüstenrot Stiftung Finanzierung und Bauleitung übernahm. Zusätzlich halfen computergestützten Simulationen und weitere bauphysikalische Untersuchungen, die Auswirkungen von Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen auf den Einsteinturm zu untersuchen. Dabei ging es nicht nur darum, wirksame bauliche Gegenmaßnahmen bei der erneuten Instandsetzung zu planen und umzusetzen, sondern auch im Betrieb des Einsteinturms durch z.B. bestimmte Heiz- und Lüftungsintervalle einen möglichst langen Erhalt zu gewährleisten.

Der Einsteinturm im Dezember 2020 vor der Instandsetzung. Schon von Weitem zeigen sich in der Geschichte des Bauwerks typische Schäden wieder: Durchfeuchtungsstellen in den Wänden, Risse im Putz und in der Terrassenbrüstung und abgetretene Rasenkanten.
Der Einsteinturm nach der Instandsetzung im August 2023.

Voruntersuchungen und Begutachtungen

Der Einsteinturm wurde in der Vorbereitung des neuen Instandsetzungskonzepts mehrmals von verschiedenen Experten vor Ort begutachtet. Das Gutachten von Helge Pitz, der auch für die Instandsetzung der 1990er-Jahre verantwortlich war, stellte 2017 eine erneute Rissbildung sowohl im Putz insbesondere auf der Westseite als auch im Beton auf der Süd- und Nordseite fest.

Das schließlich mit der neuerlichen Instandsetzung beauftragte Architekturbüro Kühn- von Kaehne und Lange aus Potsdam baute auf all diesem Wissen auf, als sie zum Anfang des Projekts 2021 den Einsteinturm innen und außen zentimetergenau begutachteten.

Planung der Maßnahmen

Das Ziel der Instandsetzung 2021–23 war eine behutsame, denkmalgerechte Reparatur des Einsteinturms. Nach Begutachtung des Einsteinturms vom Gerüst aus zeigte sich, dass viele der Reparaturen von 1999 wiederholt werden mussten. Neben der Fassade standen nun allgemein die Abdichtung des Bauwerks, die Behandlung der Fuge zwischen Ziegelmauerwerk und Stahlbeton, die Stahlträger, das Podest der Eingangsterrasse und die Dächer im Vordergrund der Maßnahmen.

Der eingerüstete Turm während der Instandsetzungsmaßnahmen.
Die roten Striche und Schraffuren dokumentieren Schadensbilder. Die Texte sowie die hellroten Flächen zeigen, wie die entsprechenden Stellen repariert werden sollen.

Fuge

Die Mischbauweise des Turms ist weiterhin eine der größten Schadensursachen. Im Bereich der Kuppel ist dies ein besonderes Problem, da hier der Stahlbeton des Kuppelkranzes direkt mit dem Ziegelmauerwerk des Turmschafts verbunden ist. Die Fuge dazwischen bewegt sich, da sich beide Baustoffe bei Hitze und Kälte unterschiedlich stark ausdehnen bzw. zusammenziehen. Dies wurde bei der letzten Instandsetzung durch eine Dehnungsfuge versucht auszugleichen. Bei der Instandsetzung 2021–23 musste diese Lösung neu gedacht werden, damit auf noch längere Sicht in diesem Bereich keine Risse entstehen. Dafür wurde die Fuge zunächst mit einem Quellschlauch und einer dauerelastischen Polyurethan-Verfugung geschlossen. Danach überbrückte man die Fuge mit einer 15 Zentimeter breiten Polyethylen-Folie, die nicht direkt mit dem Bauwerk verbunden ist. Auf die Folie wurde eine Klebe- und Armierungsschicht mit aufgekämmter Oberfläche aufgebracht, was die Folie an Ort und Stelle hält. Diese gesamte Behandlung wurde anschließend verputzt. Die Fuge bleibt also beweglich, wobei die PE-Folie diese Bewegungen nach außen hin so sehr abdämpft, dass der Putz, der nicht direkt auf der Fuge liegt, nicht so schnell Risse bekommt. Auch diese Behandlung kann neue Rissbildung natürlich nicht komplett ausschließen, da letztlich die Planungsfehler von Erich MendelsohnErich Mendelsohn (1887–1953), Architekturstudium an der TH (Berlin-)Charlottenburg und TH München. Hochzeit mit Luise Maas 1915. Nach Rückkehr aus dem 1. Weltkrieg Gründung des eigenen Büros in Berlin, das zu einem der erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Architekturbüros wird. 1933 Emigration nach England, 1939 Umzug nach Jerusalem, 1941 in die USA. Bedeutende Bauten in all diesen Ländern. nicht korrigiert werden können, ohne die Originalität des Denkmals zu beeinträchtigen.

Stahlträger

Bei der Instandsetzung in den 1990er-Jahren hat sich die Reparatur der Stahlträger in den Fensterstürzen vor allem auf die Ostseite des Turms konzentriert. Nun ging es darum, auch die Stahlkonstruktionen auf der Westseite zu behandeln, zumal gerade auf dieser Seite Helge Pitz in seinem Gutachten von 2017 viele Rissschäden feststellte. Die Stahlträger wurden wie in den 1990er-Jahren freigelegt, entrostet und mit einem Korrosionsschutz versehen.

Die Fenster der Westseite nach der Instandsetzung. Die Form jeder Fensterbrüstung ist einzigartig, weil sie auf der Baustelle 1921 zwar von Mendelsohn geplant, aber von den Handwerkern händisch modelliert wurde.

Eingangsterrasse und Brüstung

Zwar wurde die Brüstung der Terrasse in der vorherigen Sanierung vor Abrutschen gesichert, doch haben sich dadurch die Risse nur verlagert. Deshalb wurde diesmal eine Dehnungsfuge eingefügt. Außerdem wurde eine fugenlose Betonplatte als Terrassenboden gegossen. Sie verfügt über eine komplett umlaufende Dehnungsfuge und wird damit hoffentlich weniger Risse bekommen.

Dächer und Kuppel

1997–99 wurden die Dächer nur stellenweise saniert. Deshalb war es bei der Instandsetzung 2021–23 nötig, ein größeres Augenmerk auf die Dacheindeckung, die Traufkanten und auch auf die Kuppel zu legen. Die Dächer waren ursprünglich mit gestrichenen Bitumenbahnen abgedichtet. 1974 wurde darüber eine Stehfalzabdeckung aus verzinntem Kupferblech angebracht. Die Bitumenbahnen wärmten sich bei Sonneneinstrahlung auf und gaben giftige Stoffe in den Innenraum ab. Die Bitumenbahnen mussten also entfernt werden. Mendelsohn baute die gewölbten Dächer damals aus Hohlziegeln. Auf diese Hohlziegel brachte man nach dem Rückbau der Dachdeckung eine neue Ausgleichsschicht auf, um die ursprüngliche Form der Dächer wieder herzustellen. Danach wurden EPDM-Bahnen (Ethylen-Propylen-Dien-Monomer-Kautschuk) aufgelegt. Auf die EPDM-Bahnen wurde dann Zinkblech montiert, das zum Schluss gestrichen wurde.

Die hölzerne Kuppel, die nach dem 2. Weltkrieg neu aufgesetzt wurde, hielt sich trotz undichtem Kuppeltor und Kondensatbildung zwischen Dacheindeckung und Holzschalung erstaunlich gut. So musste lediglich ein kleiner Teil morschen Holzes ausgetauscht werden. Die entfernten Teile nutzte man als Schablone für die neu anzufertigenden Teile. Dann wurde die Kuppel wie die anderen Dachflächen behandelt.

Die ursprüngliche Farbwahl Erich Mendelsohns für die Dächer und Kuppel kann heute nicht genau nachvollzogen werden, zumal es keine Überlieferungen für die gesamte Farbwahl des Einsteinturms gibt. Auf den Schwarz-Weiß-Fotos unmittelbar nach Fertigstellung sieht die Kuppel etwas heller aus als der Putz. Der ursprüngliche Spritzputz erzeugt allerdings Schatten, erscheint also je nach Lichteinfall etwas dunkler. Während der Instandsetzung 2021–23 entschied man sich dazu, alle Dachflächen im gleichen Farbton wie den Turm selbst zu fassen, zumal für die Farbe des Turms gut dokumentierte bauliche Befunde vorlagen.

Fassade

Die Architekten des Büros Kühn- von Kähne und Lange schreiben in ihrem Instandsetzungskonzept: „Die Instandsetzung folgt dem Konzept der kleinflächigen Reparatur, um die Modellierung der Oberfläche möglichst authentisch zu bewahren und die Geschichte der Instandsetzung mit den unterschiedlichsten Materialen fortzuschreiben.“ Die gesamte Fassade wurde zunächst mit Hochdruckreinigern gereinigt und vom Algenwachstum befreit. Die behutsame Fassadensanierung galt dann vor allem der Behandlung der neu entstandenen Risse im Putz, die behutsam aufgeweitet und dann verschlossen wurden.

Als bei der Instandsetzung 1997–99 die Bleche der Fensterbrüstungen zurückgebaut wurden, die 1927 die Gesamterscheinung des Turms stark veränderten, mussten die horizontalen Fassadenflächen dennoch vor Niederschlagswasser geschützt werden. Dafür verwendete man einen Flüssigkunststoff, der direkt auf die Fensterbrüstungen aufgetragen wurde. Dieser Flüssigkunststoff war mittlerweile verwittert und löste sich ab. Nun wurde der Flüssigkunststoff „System Triflex“ genutzt, um die horizontalen Fassadenflächen an den Fenstern neu abzudichten.

Nach all diesen Arbeiten wurde der gesamte Turm mit Kieselsol-Silikatfarbe im gleichen Ockerton angestrichen, der 1997–99 unter den Bleiabdeckungen entdeckt und als ursprüngliche Farbfassung identifiziert werden konnte.

Innenräume

Im Innenraum ging es in erster Linie um kleinflächige Ausbesserungen von Putzflächen und den Anstrich der Wände und die Behandlung der Böden. Der Mikrophotometerraum wurde lange Zeit als Werkstatt genutzt. Die Werkstatt wurde zurückgebaut. Stattdessen kann dieser Raum nun für Gespräche und Führungen durch den Turm genutzt werden. Für die Toilette im Erdgeschoss wurden die Abwasser- und Frischwasserleitungen erneuert. Außerdem konnte die ursprüngliche Wölbung für das Handwaschbecken wieder hergestellt werden.

Außenanlagen

Die präzisen Böschungen wurden durch Besucher, die in das Arbeitszimmer hineinsehen wollten, durch Kaninchen, Wühlmäuse und andere Nager sowie durch Regenabschwemmungen aus der Form gebracht. Teilweise waren die Wabenmatten erkennbar, die in den 1990er-Jahren für einen besseren Halt der Rasendecke eingefügt wurden. Die kompromisslose Geometrie von Neutras Gartenplan wurde inklusive des Heckenbewuchses wieder hergestellt. Im südlichen Teil wurde eine kleine Betriebstreppe hinzugefügt, die auf das Rasenplateau führt, um die Pflege der Außenanlagen zu vereinfachen.

Die scharfkantigen Böschungen und der wegbegleitende Heckenbewuchs wurden wieder hergestellt. Der Baumbestand wurde behutsam zurückgeschnitten, damit die wissenschaftlichen Funktionen des Einsteinturms nicht beeinträchtigt werden.

Ausblick

Es wird sich zeigen, wie lange diese letzte Instandsetzung und Reparatur des Einsteinturms vorhält. Die Errichtung des Einsteinturms kann letztlich als Experiment gesehen werden, in dem Erich Mendelsohn seine traumhaften Skizzen und seine visionäre Architekturauffassung in die Wirklichkeit umsetzte. Jede erhaltende Maßnahme dieses Denkmals hat nicht nur die gesamte Bau-, Nutzungs- und Konservierungsgeschichte zu respektieren, sondern ist letztlich wie der ursprüngliche Baugedanke – immer auch experimentell.